Pressure Points, Meridian, Nervenstrukturen, Physiologie, Yin & Yang, und irgendwelche Zyklen. Kyusho-Theorie kann überwältigend, überfordernd und absolut abgefahren sein. Und eins ist sie auf jeden Fall, viel!
Wo soll man anfangen? Was braucht man wirklich? Ist alle für das Kämpfen und die Selbstverteidigung relevant? Lohnt sich die Theorie überhaupt?
Hier. Kommt drauf an. Nein. Definitiv!
Das sind die Antworten. So einfach kann es sein. Doch Scherz beiseite. Um sich die Antworten vertieft anzuschauen, entsteht hier eine zweiteilige Beitragsreihe über die Grundlagen der Kyusho-Theorie. Diese Grundlagen kombinieren die Perspektiven der westlichen Anatomie, sowie die Prinzipien der traditionell chinesischen Medizin.
Kyusho-Theorie ist nicht kompliziert. Sie folgt klaren Regeln und Strukturen. Wichtig allein ist ein durchdachter Zugang. Heute und im nächsten Teil wollen wir über die folgenden vier fundamentalen Dimensionen des Kyusho sprechen.
- Area Control – Kontrolle des Bereichs
- Kinesthetic Response – Wahrnehmung der Körperreaktion
- Systemic Compromise – Kompromittierung des Systems
- Relational Artifact – Beziehungsartefakte
Wo beginnt das Kyusho?
Irgendwo muss man anfangen, richtig? Im Kyusho ist die kleinste Einheit der Pressure Point. Hier beginnt die Faszination. Mit wenig Aufwand viel erreichen wollen!
Es gibt einige Herangehensweise. Das was ich als Nächstes beschreiben werde, ist nicht „der Weg“, jedoch ein äußerst bewährter Weg. Nehmen wir also Folgendes an:
- Ich möchte mich mit Kyusho beschäftigen. Check.
- Ich habe bereits Erfahrungen in einer Kampfkunst, Kampfsport oder Selbstverteidigung. Check.
- Ich habe eine Technik im Sinn und kann sie im Kampf theoretisch und praktisch anwenden. Check.
Vorbereitung abgeschlossen. Starten wir mit dem Kyusho.
Um an einem Beispiel zu schreiben, stelle ich mir vor, dass ich am Kragen gepackt werde. Als Verteidigung wähle ich instinktiv eine Technik aus. Als erste Reaktion greife ich im ersten Kontakt den Gegner am Handgelenk.
Eins, zwei, drei Zauberei – Kyusho mach ihn zu Brei.
Gewonnen!
Ähm, sorry… Irgengwie läuft es so nicht. Da habe ich wohl ein klein wenig was weggelassen.
Und das, was weggelassen wurde, ist das Studium und Training des Kyusho. Dann mal schnell zurück ans Zeichenbrett und in die Schatzkiste gegriffen. Hier ist der kleine dtv-Akupunktur-Atlas. Ein echt tolles Teil.
Schauen wir mal, was sich so alles am und ums Handgelenk für Punkte verstecken. Und hier beginnt die erste Dimension des Kyusho-Studiums – Area Control oder die Kontrolle des Bereichs.
Dimension 1: Area Control verstehen
Wie bereits in einem früheren Beitrag beschrieben, decken sich ein Großteil der Pressure Points mit realen anatomischen Strukturen. Ich kann dir trotzdem nur ans Herz legen die Bezeichnungen der Akupunktur zu lernen und zu verwenden. Dadurch wird vieles später einfach leichter. Es ist wie eine einheitliche Landkare, auf die wir gemeinsam schauen können.
Aber die Karte ist nicht die Realität. Gehen wir in die Tiefe. Was heißt nun Area Control. Schnappen wir uns wieder ein Beispiel: Lunge 8.
Grundlegend müssen wir uns jetzt folgende Themen zu Lunge 8 genauer anschauen für eine vollständige Kontrolle des Bereichs:
- Wo befindet sich die Stelle genau?
- Welche Strukturen verstecken sich unter der Oberfläche?
- Wie aktiviere ich die Stelle?
- Welcher Winkel und welche Richtung sind entscheidend?
- Was löse ich für Effekte bei der Aktivierung aus?
Kontrolle von Lunge 8
Bei Lunge 8 möchte ich nicht von einem Anfängerpunkt sprechen, viel eher ist er ein echt wichtiger Standardpunkt, der in jedes Kyusho Repertoire hineingehört. Alle Techniken, die ein Greifen des Handgelenks nutzen, profitieren enorm von Lunge 8!
Die genaue Stelle befindet sich „1 PZ (eine Daumenbreite) proximal der Handgelenksfalte, radial neben der tastbaren Aterie in der Höhe des Processus Styloideus Radii“ (Hempen 1995: 75). Oder einfacher; dort wo ihr euren Puls fühlt, spürt ihr am Radius oder der Speiche eine leichte Vertiefung, eine Art Schanze oder Löffel. Dort liegt Lunge 8.
Die Stelle zeichnet sich dadurch aus, dass hier der Nervus cutaneus lateralis antebrachialis verläuft. Dieser ist ein sensibler Endast des Nervus musculocutaneus, welcher Fasern aus dem Rückenmark enthält. Er regt die Nerventstrukturen bis zum Daumenballen auf der radialen Seite an. Auch kommuniziert dieser Nervenast mit den oberflächlichen Fasern des Nervus radialis (Ramus superficialis), welcher die Sensibilität des Daumens, Zeigefingers und Mittelfingers auf der Dorsalseite (Handrücken) steuert und anregt. (Meine Quellen sind der Lernatlas Anatomie Prometheus, DocCheck Flexikon, sowie die Bücher von Dillman/Thomas)
Lunge 8 wird durch Druck in einem 45° Winkel zum Handgelenk hin aktiviert. Als Waffe eignen sich die aufgerichteten Fingerspitzen des Daumens, des Zeigefingers und des Mittelfingers.
Die Nervenstruktur, die in Lunge 8 verläuft, steuert die Sensibilität der Finger und Teile des Handgelenks. Wird die Stelle also richtig stimuliert, gibt es eine Störung im Nervenleitsystem, welches zu einer Schwächung der Griffkraft und der Stabilität des Handgelenks führt. Grob gesagt, die Power in der greifenden Hand geht flöten. Dies führt dazu, dass der Bereich (hier; Handgelenk) kontrolliert werden kann.
Und damit hätten wir zu Lunge 8 alle wichtigen Punkte im Bereich Area Control bzw. Kontrolle des Bereichs abgehakt.
Jetzt werden sich sicher ein paar unter euch fragen und was ist mit dem Meridian Lunge, der Polarität Yin und dem Element Metall.
Und ich sage euch, freut euch auf den nächsten Teil. Dort werden wir uns die nächsten Dimensionen anschauen. Jetzt direkt zum 2. Teil!
Viel Spaß beim Training.
Insight Kyusho
by Basty
Toll erklärt. Weiter so!
Hey Markus, danke für dein Lob. Das ist der Plan, ich werde es versuchen ;-)
LG Basty
Kurz und knapp….Klasse Blog. Freu mich auf mehr……
Servus Marcos, so soll es sein! ;-)
Freu mich auch in Zukunft von dir auf dem Blog zu hören :-D
LG Basty