Fragst Du dich, was Kyusho überhaupt ist? Hier fühlen wir der Kunst der Vitalpunkte auf den Zahn, und zwar ohne mystische Ausflüge. Auf geht´s!

So, meine Lieben, Kyusho ist eigentlich nur ein Wort. Das ist alles!

Und zwar ein Wort, das viel übersetzt, interpretiert und mit noch mehr Inhalten gefüllt wurde. Chi-, Vital-, Schmerz- und Druckpunkte, Sekundenkampf und die viel zitierte Kunst der Vitalpunkte sind nur einige Schlagworte, die wir immer wieder zu lesen und hören bekommen.

Doch schauen wir uns kurz die Schreibweise an, dann kommen wir der Sache schon näher.

Kyusho setzt sich aus den Kanji Kyū (急) und Sho (所) zusammen. Kyū (急) steht für Begriffe wie Schnelligkeit, Plötzlichkeit, Steilheit, Ernsthaftigkeit, Gefahr. Sho (所) kann übersetzt werden als Ort, Platz und Stelle. Zusammen ergibt sich dann ganz simple Kyūsho (急所), z.B. die gefährliche Stelle. Weitere Deutungen sind Schlüsselpunkt, wunder Punkt oder empfindliche Körperstelle.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Symbolsprache der Kanji mir und vielen anderen echt Schwierigkeiten bereitet. Dieser gewaltige Interpretationsspielraum macht es echt herausfordernd, sich nicht in einem mystisch aufgeladenem Wirrwarr zu verirren.

Darum möchte ich jetzt ohne weitere Verzögerung zur Definition von Kyusho kommen, die ich für mich nutze.

Kyusho – Blaupause der körperlichen Schwachstellen

Kyusho ist eine Perspektive auf die empfindlichen Stellen des menschlichen Körpers zur kinetischen Energieübertragung vom peripheren in das zentrale Nervensystem. Diese Stellen stimmen mit den Akupunkturpunkten der traditionell chinesischen Medizin (TCM) überein und ca. 70-80% der Punkte haben darüber hinaus eine herausstellbare westlich-medizinische Körperstruktur.

In vielen Fällen zeichnen sich diese Stellen nämlich dadurch aus, dass an ihnen ein Nervenstrang endet, sich ein Nerv teilt oder sich eine Verästelung unterschiedlicher Nerven befindet. Mit dem Wissen über Ort, Aktivierungsrichtung und Aktivierungsart lassen sich mit gekonnten Schlägen, Drücken oder Reiben allerlei Körperbeeinträchtigungen und -manipulationen herbeiführen.

Ich möchte hier noch einen kleinen Exkurs mit dir wagen. Wieso stimmen die Kyusho Punkte mit den Akupunkturpunkten der TCM überein. Hier berufe ich mich auf die Ausführungen im dtv-Atlas zur Akupunktur (kann ich jedem nur ans Herz legen, zu schnellen Lokation der Punkte): 

„Morphologisch lassen sie (Akupunkturpunkte) sich als Perforationen der oberflächlichen Körperfaszie durch ein Gefäß-Nervenbündel darstellen. Diese Perforationen haben einen Durchmesser von ca. 3-8mm und stellen durch scherengitterartig angeordnete Kollagenzüge scharf umrandete „Stanzen“ der oberflächlichen Körperfaszie dar. Je nach Faszienstärke entsteht ein transfaszialer Kanal von 0,3-1,5mm Länge“ (Hempen 1995: 277).

Kyusho und verschiedene Erklärungsansätze

Mit diesen sperrigen Absätzen haben wir jetzt an der Oberfläche gekratzt. Denn Kyusho ist am Ende das, was Du daraus machst.

Grundsätzlich haben sich zwei Wege der Interpretation und Nutzung der empfindlichen Körperstellen entwickelt.

  1. Ein „moderner“ wissenschaftlicher Weg, der Erklärungsversuche anhand der Anatomie und Physiologie des Menschen versucht.
  2. Und ein „traditioneller“ Weg, welcher die Schwachstellen und Beziehungen über die Prinzipien der traditionellen Chinesischen Medizin untersucht.

Kyusho kann demnach Folgendes sein. 

Ich greife den Ellenbogen von außen an. Durch die Gelenkmechanik kollabiert der Arm nach innen. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass die angegriffene Nervenstruktur (XXXX) den Arm schwächt. Da sich der Ellenbogen nach innen dreht, bricht die Schulter nach vorne aus und der Kopf rotiert seitlich. Der Hinterkopf wird angreifbar. Durch einen gezielten Schlag Richtung Schädelbasis kann ich Nerv XY aktivieren, welcher meinen Gegner durch eine neuronale Überbelastung ausschaltet

Kyusho kann aber auch wie folgt betrachtet werden. 

Ich greife Lunge 8 an und schwäche damit das Handgelenk. Über einen Schlag auf Lunge 5 schwäche ich den Arm zusätzlich (Prinzip des Meridians). Als körperliche Reaktion kommt die Schulter nach vorne, die Knie knicken ein und der Kopf kommt leicht nach vorn. Über eine Körperrotation hebel ich den Ellenbogen und die Schulter, dadurch öffnet sich Gallenblase 20. Der Lungen-Meridian ist von der Polarität Yin und vom Element Metall. Gallenblase hingegen ist Yang und Holz. Durch das Schlagen auf Gallenblase nutze ich die Prinzipien von Yin&Yang, sowie den Zerstörungszyklus. Gallenblase 20 wird empfänglicher für den Schlag und die Körperreaktion stärker (vielleicht sogar ein energetisch-neuronaler KO).

Was ist jetzt also der „richtige“ Weg? Für mich jedenfalls ist die Sache eindeutig. Wieso eines nutzen, wenn man beides haben kann. Beide Sichtweise haben ihre Vor- und Nachteile und ergänzen sich daher prima. Ich für meinen Teil verwende für das Auffinden der Punkte immer einen TCM Ansatz, schaue mit dann die einzelnen Stellen aus dem Blickwinkel der Anatomie und Physiologie an und wechsle um Beziehungen zwischen Punkten herzustellen wieder zur Prinzipienlehre der TCM. Am Ende muss beides Ineinanderfließen und sich gegenseitig bestätigen.

Und jetzt die große Frage – Was ist Kyusho nicht?

Das ist relativ schnell und einfach erklärt, obwohl, wie immer könnte man hier auch in die Tiefe gehen.

  1. Kyusho ist kein geheimes Wissen – jedoch benötigt ein tiefes Verständnis viel Zeit und Training. Heutzutage findest Du aber unheimlich viele Ressourcen und tolle Trainer.
  2. Kyusho ist kein Hokuspokus – wer sich ernsthaft mit Kyusho in der Kampfkunst beschäftigt, merkt sehr schnell, dass alle Themen sehr klar und exakt erklärt werden können. Ob ein TCM Ansatz gewählt wird oder ein medizinisch-westlicher, beides ist möglich.
  3. Kyusho ist keine Sieg-Garantie – nur weil ich schwache Stellen des Körpers angreife, heißt dies nicht, dass ich unbesiegbar bin. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Schmerz, manche sind empfindlich oder unempfindlich. Auch macht dich Kyusho nicht automatisch zu einem besseren Kämpfer, weil…
  4. Kyusho ist keine Selbstverteidigung – oft missverstanden aber umso wichtiger zu verstehen. Kyusho ist eine Lehre des Körpers. Techniken oder SV-Systeme enthält dieses Wissen aber nicht. Jedoch lässt sich dieses Wissen in alle Systeme gut integrieren.

Gibt es an dieser Stelle noch Anmerkungen von dir? 

Mich würde interessieren, was Du unter Kyusho verstehst?

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by Basty

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6 Comments

  1. Martin K. 10. Dezember 2021 at 21:37 - Reply

    Danke Basty, guten Start! Bin gespannt auf mehr…!
    👊👊👊

    • Basty 10. Dezember 2021 at 22:58 - Reply

      Danke dir, Martin. Und ich erst. Das wird eine spannende Reise! :-D
      Finde es mega dich an Bord zu wissen 👊

  2. Dominik B. 12. Dezember 2021 at 07:27 - Reply

    Wow basty echt Top!!!

    Die Seite ist der Wahnsinn aber der Beitrag echt lehrreich
    Ich freue mich auf mehr

    Gruß aus Österreich 🇦🇹

    • Basty 12. Dezember 2021 at 15:15 - Reply

      Hey, schön von dir zu hören!
      Danke dir für die Worte. Ich hoffe, dass wir uns 2022 endlich mal wieder auf der Matte sehen. :-D

  3. Knut Stricker 18. Dezember 2021 at 14:54 - Reply

    Sehr gut gemacht. Beschäftige mich auch schon etwas damit. Bin gespannt auf mehr. Würde mein Wissen gerne weiter vertiefen.

    • Basty 18. Dezember 2021 at 15:16 - Reply

      Hey Knut, danke dir! :-D
      Bin auch gespannt auf mehr. Ich glaube, dass wird eine coole Reise.
      LG Basty

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